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Insolvenzgründe

§ 17 Insolvenzordnung: Zahlungsunfähigkeit

Euro im Blitz
Die Verpflichtung zur Stellung eines Insolvenzantrages entsteht im Falle des Eintritts einer Zahlungsunfähigkeit und/oder einer Überschuldung.

Die Insolvenzordnung enthält im §17 eine kurze Definition der Zahlungsunfähigkeit: "Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat."

Der etwas allgemein gehaltene Gesetzestext wurde durch den Bundesgerichtshof in seiner Leitsatzentscheidung vom 24.05.2005 (IX ZR 123/04) und weiteren Urteilen konkretisiert. Unterschieden wird zwischen der Zahlungseinstellung, der Zahlungsstockung und der Zahlungsunfähigkeit.
Zahlungseinstellung
Mit der Zahlungseinstellung wird die Zahlungsunfähigkeit faktisch dokumentiert. Als Zahlungseinstellung wird das nach außen hervortretene Verhalten des Schuldners, dass er nicht mehr in der Lage ist, seine fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen, bezeichnet (BGH, Urteil vom 20.11.2001, IX ZR 48/01). Die tatsächliche Nichtzahlung eines erheblichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten reicht dafür aus, auch wenn die tatsächlichen Zahlungen noch beträchtlich sind, aber im Verhältnis zu den Gesamtschulden nicht den wesentlichen Teil ausmachen (BGH, Urteil vom 21.06.2007, IX ZR 231/04). Bereits die Nichtzahlung gegenüber einem Gläubiger kann bei einer nicht unerheblichen Forderung ein Indiz sein, selbst wenn andere Gläubiger noch bedient werden (BGH, Urteil vom 20.11.2001, IX ZR 48/01).
Abgrenzung Zahlungs­stockung zu Zahlungsunfähigkeit
Die Zahlungsstockung stellt einen kurzfristig behebbaren Mangel an Zahlungsmitteln dar und führt grundsätzlich nicht zu einer Insolvenzantragspflicht.

Eine nur vorübergehende Zahlungsstockung ist gegeben, wenn innerhalb eines kurzen Zeitraums die erforderlichen liquiden Mittel durch die laufende Geschäftstätigkeit zufließen oder der Schuldner durch eine rasche Verwertung entbehrlicher Wirtschaftsgüter oder durch andere Maßnahmen wie z.B. einen Bankkredit oder eine Eigenkapitalzuführung die Mittel beschaffen kann. Als Zeitraum hat der BGH drei Wochen für ausreichend erachtet (BGH, Urteil vom 24.05.2005, IX ZR 123/04).

Reichen die zufliessenden Mittel nicht aus, um die gesamten fälligen Verbindlichkeiten zu bezahlen, so darf die Quote der nicht bezahlbaren fälligen Verbindlichkeiten nicht 10% oder mehr betragen. Liegt die Quote unter 10% und wird erkennbar zukünftig auf über 10% steigen, ist ebenso wie bei Nichtbezahlung von 10% oder mehr eine Zahlungsunfähigkeit und damit eine Insolvenzantragspflicht gegeben.

Die Berechnung der Quote erfolgt in mehreren Schritten. Zunächst werden die verfügbaren liquiden Mittel (Kassenbestand, Bankguthaben, noch nicht eingelöste Schecks, freier Kontokorrentkredit) den bereits fälligen Verbindlichkeiten zum Tag der Prüfung der Zahlungsfähigkeit gegenüber gestellt.

Finanzstatus zum Stichtag X
Verfügbare Zahlungsmittel 20.000
Nicht ausgeschöpfte Kontokorrentlimits 10.000
Summe Aktiva I 30.000
Bereits fällige Verbindlichkeiten -37.000
Nicht genehmigte Kontokorrentlimitsüberziehungen -8.000
Summe Passiva I -45.000
Überschuss fällige Verbindlichkeiten -15.000

Ergibt sich ein Überschuss der verfügbaren Mittel, besteht zu diesem Stichtag keine Zahlungsunfähigkeit.

Übersteigen hingegen die Verbindlichkeiten die verfügbaren Mittel, so liegt eine Liquiditätslücke vor. Bei verfügbaren Mitteln von 30.000 und fälligen Verbindlichkeiten von 45.000 würde die Lücke 15.000 bzw. 33,33% (15.000/45.000) betragen.

Innerhalb von drei Wochen muss diese Liquiditätslücke auf unter 10% gesenkt werden.

Durch das BGH-Urteil vom 19.12.2017 (II ZR 88/16) ist geklärt, dass bei der Berechnung der Schließung der Lücke neben den innerhalb der nächsten drei Wochen zufliessenden Mitteln auch die zusätzlich fällig werdenden Verbindlichkeiten und die sonstigen Ausgaben heranzuziehen sind.

Finanzplanung für 21 Tage nach dem Stichtag X
Erwartbare Zahlungseingänge
aus Forderungen zum Stichtag X 5.000
aus in den 21 Tagen neu entstandene Forderungen 2.000
Summe Aktiva II 7.000
Erwartbare Liquiditätsabflüsse
aus zum Stichtag X bereits vorhandene, nunmehr fällige Verbindlichkeiten -1.500
neu entstandene und bereits fällige Verbindlichkeiten -4.700
Summe Passiva II -6.200
Aktiva II abzüglich Passiva II 800

Würden im obigen Beispiel zum Zeitpunkt der Aufstellung des Finanzstatus für die nächsten drei Wochen ein Eingang von Mitteln in Höhe von 7.000 erwartet und wäre von zu zahlenden Verbindlichkeiten von 6.200 auszugehen, so läge ein Liquiditätsüberschuss von 800 für diese drei Wochen vor. Der Überschuss der fälligen Verbindlichkeiten würde zum Ende dieses Planungszeitraums um 800 auf 14.200 sinken.

Für die Berechnung der Liquiditätslücke gibt es unterschiedliche Berechnungsmethoden. Der BGH addiert die Aktiva I und II zusammen und teilt diese durch die Summe aus Passiva I und II, wodurch die Liquiditätsquote entsteht. Anschließend wird die Liquiditätsquote von 100% abgezogen und es ergibt sich die Liquiditätslücke.

Liquiditätslücke - Berechnung BGH
Aktiva I + Aktiva II 37.000
Passiva I + Passiva II 51.200
Aktiva I+II geteilt durch Passiva I+II 72,27%
Liquiditätslücke (100% abzüglich Liquiditätsquote) 27,73%

Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) saldiert die Summen aus Aktiva I und II und Passiva I und II und setzt diesen Betrag ins Verhältnis zu den Passiva I.

Liquiditätslücke - Berechnung IDW
Aktiva I + Aktiva II 37.000
Passiva I + Passiva II 51.200
Aktiva I+II abzüglich Passiva I+II -14.200
Passiva I -45.000
Liquiditätslücke (-14.200/-45.000) 31,56%

In beiden Fällen liegt die Liquiditätslücke über 10%. Das Unternehmen müsste einen Insolvenzantrag wegen Zahlungsunfähigkeit stellen, außer es wäre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Schließung der Lücke innerhalb der folgenden drei bis sechs Monate zu erwarten.

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